Reformstau?
Reformpolitischer Neustart!
Der Geschäftsbericht des GKV-Spitzenverbandes zeigt, dass das vergangene Jahr erneut von dringendem Handlungsbedarf in der Gesundheits- und Pflegepolitik geprägt war. Anstelle der von der Ampel-Koalition erwarteten tiefgreifenden Strukturreformen herrschte – von einigen Ausnahmen abgesehen – häufig struktureller Stillstand. Zum einen wurden zentrale Aufgabenstellungen politisch nicht angegangen, zum anderen konnten notwendige Reformen aufgrund des vorzeitigen Ampel-Aus nicht abgeschlossen werden.
Nach diesem Reformstau braucht es nunmehr dringend zukunftsgerichtete Weichenstellungen für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung (SPV). Ein reformpolitischer Neustart im Jahr 2025 ist unerlässlich, um den Grundstein für eine dauerhaft hochwertige und bezahlbare Versorgung zu legen. Dabei muss wieder verstärkt die Erfahrung und Expertise der Selbstverwaltung einbezogen werden.
Ungebremster Beitragsanstieg bei GKV und SPV im Jahr 2024
Eine der drängendsten Aufgaben bleibt die Stabilisierung der Finanzen von GKV und SPV. Das zurückliegende Jahr brachte keine nachhaltige Lösung. Bund und Länder entziehen sich weiterhin ihrer Verantwortung für die auskömmliche Finanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben. Dies betrifft etwa die Finanzierung der GKV-Versorgung von Bürgergeldbeziehenden oder die Erstattung der pandemiebedingten Ausgaben der SPV.
In der GKV wurden die Reserven der Krankenkassen in den letzten Jahren als Folge politischer Eingriffe auf ein nicht mehr tragfähiges Maß reduziert, zugleich stiegen die Ausgaben unerwartet dynamisch. Im Ergebnis war zum Jahreswechsel ein sprunghafter Anstieg der Zusatzbeitragssätze in der GKV, den die Beitragszahlenden schultern mussten, notwendig. In der SPV wurde kurz vor dem Ende der auslaufenden Legislaturperiode ein Beitragsanstieg beschlossen, da die angekündigte große Pflegereform nicht vor dem Ampel-Aus auf den Weg gebracht worden war. Eine Reform zur langfristig soliden Absicherung des Pflegerisikos ist aber dringend notwendig.
Für beide Sozialversicherungszweige gilt deshalb: Ein „Weiter so“ darf es nicht geben. Stattdessen braucht es zeitnah wirksame Reformmaßnahmen, um die Beitragsspirale zu durchbrechen und effizientere und bedarfsgerechtere Strukturen zu schaffen. Dieser Geschäftsbericht befasst sich daher in einem von zwei Schwerpunktthemen mit der Finanzierung von GKV und SPV.
Weichenstellungen bei der Krankenhausreform – weiterer Konkretisierungsbedarf
Parallel zur Finanzierung steht die Krankenhausreform im Fokus der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion. Eine Modernisierung der Krankenhauslandschaft ist notwendig, um eine gute Versorgung von Patientinnen und Patienten auch zukünftig zu sichern. Erste Weichenstellungen wurden vorgenommen, indem etwa Leistungsgruppen für eine bundeseinheitliche Versorgungsqualität und eine ergänzende Vorhaltefinanzierung eingeführt wurden. Letztere muss bedarfsnotwendig ausgestaltet werden.
In Folge der Reform ist eine Reihe von weiteren Umsetzungsschritten notwendig. Dies betrifft die Weiterentwicklung von Leistungsgruppen, die Ausgestaltung von Qualitätsstandards, eine stärker sektorenübergreifende Versorgung und die Konkretisierung der Vorhaltevergütung. Entscheidend ist dabei die Finanzierung des Umbaus der stationären Infrastruktur. Die Ankündigung der neuen schwarz-roten Koalition, den Transformationsfonds in Gänze aus Steuermitteln zu finanzieren, muss zeitnah umgesetzt werden. Zudem müssen die Länder endlich ihrer Pflicht zur Finanzierung der laufenden Investitionskosten nachkommen.
Die Krankenhausversorgung muss bedarfsgerecht, qualitäts- und zukunftsorientiert ausgestaltet werden, statt ineffiziente Strukturen ungesteuert zu finanzieren. Die Einführung von Leistungsgruppen ist eine Chance zur Qualitätsverbesserung durch Spezialisierung. Strukturerhaltende Maßnahmen für eine Gelegenheitsversorgung würden das Gegenteil bewirken. In einem zweiten Schwerpunktthema geht dieser Geschäftsbericht daher auf die zentralen Herausforderungen nach der Krankenhausreform ein.
Ausblick: Ein reformpolitischer Neustart ist überfällig
Das Jahr 2025 muss ein Reformjahr werden. Ein weiteres Jahr ohne nennenswerte strukturelle Maßnahmen ist für das Gesundheitswesen und die Pflege keine Option. Neben nachhaltigen Finanzreformen und einer konsequenten Umsetzung der Krankenhausreform sind weitere Strukturreformen unerlässlich. Die Selbstverwaltung steht als verantwortungsvoller Partner für die notwendigen Reformen bereit. Gemeinsame Aufgabe von Politik und Selbstverwaltung ist es, im konstruktiven Miteinander die entscheidenden Weichenstellungen vorzunehmen.
Ein wichtiger Bereich ist dabei auch eine bessere Koordination in der ambulanten und sektorenübergreifenden Versorgung. Dies soll einen besseren und schnelleren Zugang für Patientinnen und Patienten gewährleisten. Darüber hinaus bedarf es einer Entlastung von Notfallstrukturen durch eine Reform der Notfallversorgung. Patientinnen und Patienten müssen sich darauf verlassen können, entsprechend medizinischer Dringlichkeit zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Versorgungsebene behandelt zu werden.
Digitalisierung muss im Sinne der Patientinnen, Patienten und Versicherten genutzt und ausgebaut werden. Die Potenziale müssen schnellstmöglich gehoben werden. Zuletzt wurden wichtige Impulse gesetzt, etwa durch die Einführung der elektronischen Patientenakte mit Opt-Out-Verfahren. Es bleibt eine dringliche Aufgabe, die Rahmenbedingungen für innovative Lösungen zu verbessern. Dafür sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Krankenkassen bei der Bereitstellung digitaler Angebote weiter auszubauen.
Wir wünschen eine anregende digitale Lektüre!