Der Staat muss seiner Finanzierungsverantwortung für gesamtgesellschaftliche Aufgaben nachkommen. Hierzu gehören die Kosten für die Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft, ausgabendeckende Beiträge für Bürgergeldbeziehende, die ausstehende Erstattung pandemiebedingter Mehrausgaben der SPV, aber auch die Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige. Er muss außerdem die Bundesbeteiligung für versicherungsfremde Leistungen dynamisieren und die Effizienz auf der Ausgabenseite erhöhen. Kranken- und Pflegekassen müssen die Rechte ihrer Mitglieder gegenüber der staatlichen Ebene durch Klagerechte vertreten können. Und nicht zuletzt gilt es, die Finanzautonomie der Krankenkassen wiederherzustellen.
Forderungen für die 21. LegislaturperiodePositionspapier des
Positionspapier des
GKV-Spitzenverbandes
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung (SPV) stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Es bedarf grundlegender Reformen, um das Vertrauen in Gesundheitsversorgung und Pflege zu stärken. Dafür hat der Verwaltungsrat Positionen für die 21. Legislaturperiode beschlossen.
Das Potenzial von Gesundheitsförderung und Prävention wird noch nicht ausreichend ausgeschöpft. Beides sollte als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden, die Bund, Länder und Kommunen entsprechend wahrnehmen und finanzieren müssen.
Die Krankenhausversorgung muss sich stringent am Versorgungsbedarf der Bevölkerung ausrichten. Bundeseinheitliche Qualitätsanforderungen müssen für alle Krankenhäuser gelten. Leistungsgruppen, Qualitätsstandards und Vorhaltevergütung sind durch die gemeinsame Selbstverwaltung weiterzuentwickeln. Die automatische Tarifrefinanzierung für ärztliches Personal sowie die Meistbegünstigungsklausel müssen korrigiert werden. Da Ausgaben für fehlerhafte Abrechnungen nicht zu rechtfertigen sind, muss die Aufwandspauschale für Krankenkassen gestrichen werden. Die uneingeschränkte Prüfung von Abrechnungen muss möglich sein.
Um den Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung zu verbessern, ist eine diskriminierungsfreie und niedrigschwellige Terminvermittlung erforderlich. Basis muss ein zentrales, bundesweites elektronisches Verzeichnis für Behandlungstermine sein. Statt durch die Aufhebung der Budgetierung flächendeckende finanzielle Anreize für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen, sollten neue Arbeits- und Niederlassungsmodelle entwickelt werden. Für eine Koordination und Integration der vertragsärztlichen Versorgung sind Medizinische Versorgungszentren besser zu nutzen und ihre ärztliche Unabhängigkeit zu stärken.
Der ambulant-stationäre Versorgungsbereich muss neu geordnet werden. Krankenhäuser sind entsprechend dem Versorgungsbedarf in die vertragsärztliche Versorgung einzubinden. Kurzstationäre Leistungen sollten ambulant erbracht und hochspezialisierte ambulante Leistungen für komplexe oder seltene Erkrankungen gebündelt werden. Es braucht eine gemeinsame Bedarfsplanung für ambulant tätige Leistungserbringende. Voraussetzung ist eine klare Arbeitsteilung der Sektoren. Leistungsvergütungen sind in Struktur und Niveau am Einheitlichen Bewertungsmaßstab auszurichten.
Zur Gewährleistung einer bundesweit gleichwertigen Notfallversorgungsstruktur sind zentrale Strukturvorgaben für die Standortauswahl und das Ersteinschätzungsverfahren von Integrierten Notfallzentren notwendig. Auch im Rettungswesen besteht Reformbedarf. Hilfesuchende müssen in die passende Versorgungsebene geleitet werden, um angemessen versorgt zu werden. So werden Krankenhauskapazitäten entlastet. Der Rettungsdienst sollte ein Leistungsbereich des SGB V mit bundeseinheitlichen Qualitätsanforderungen werden.
Ausgaben für Arzneimittel ohne nachgewiesenen Zusatznutzen müssen stärker begrenzt werden. Zugleich sind Grundlagen für eine bessere Evidenzgenerierung zu schaffen. Wie für andere lebensnotwendige Güter sollte für Arzneimittel der reduzierte Mehrwertsteuersatz gelten. Um Lieferengpässe zu überwachen und abzufedern, sind ein verpflichtendes Erfassungssystem und gezielte Lagerhaltungspflichten für pharmazeutische Unternehmen notwendig. Die Förderung von Produktionsstandorten zur Reduzierung internationaler Abhängigkeiten bleibt eine staatliche Aufgabe.
Die Selbstverwaltung braucht für die Digitalisierung den erforderlichen Spielraum, um die Digitalisierung zum Nutzen der Versicherten voranzutreiben. Wenn allerdings der Bund die Digitalisierung des Gesundheitswesens mit der Übernahme der gematik als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe übernehmen will, müsste sie konsequenterweise auch aus Steuermitteln finanziert werden. Die Aufgaben der gematik müssen auf Spezifikationen, Vorgaben, Zulassung und Aufsicht beschränkt bleiben. Die elektronische Patientenakte benötigt sichere digitale Identitäten, einen einfachen Zugang und eine bessere Integration in Praxisverwaltungssysteme sowie klar erkennbare Mehrwerte für Versicherte. Krankenkassen sollte es möglich sein, kassenindividuelle Inhalte und Anwendungen anzubieten, um einen Wettbewerb um die besten Lösungen in der Versorgung zu fördern.
Der dringende Handlungsbedarf in der Pflege ist unübersehbar. Eine umfassende Pflegereform ist dringend notwendig, um das Vertrauen in die Pflegeversicherung zu erhalten. Der Bund muss Beitragssatzsteigerungen durch eine Bundesgarantie im Falle von Liquiditätsengpässen abfedern. Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Leistungsbeträge der SPV im Rahmen der Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen sind notwendig. Zudem müssen der Pflegeberuf attraktiver gestaltet und das Berufsprofil weiterentwickelt werden, um mehr Fachkräfte zu gewinnen. Pflegende Angehörige benötigen mehr Unterstützungs- und Entlastungsangebote. Prävention sowie Rehabilitation sollten gefördert werden, um Pflegebedürftigkeit zu verhindern oder zu reduzieren.
Weiterführende Informationen
Jetzt die „Positionspapier Kurzfassung“ lesen und mehr über aktuelle Entwicklungen erfahren!
Mehr erfahren