Selbstverwaltung: Gelebte Demokratie
Soziale Selbstverwaltung: tragendes Grundprinzip der GKV
Die Selbstverwaltung findet sich als demokratisches Element in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens. Sie ist auch tragendes Prinzip der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung (SPV). Der Staat darf nach dem geltenden Selbstverwaltungsprinzip nur den gesetzlichen Rahmen vorgeben. Er übt lediglich die Rechtsaufsicht und eben nicht die Fachaufsicht über die Selbstverwaltung aus. Ihre konkreten Belange regeln die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Versicherten und der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nämlich selbst. Sie sind als Betroffene und Beitragszahlende in den Selbstverwaltungsorganen aktiv.
Solidarität, Subsidiarität und Eigenverantwortung
Die Grundidee von sozialer Selbstverwaltung in der GKV und SPV ist moderner denn je: Diejenigen, die die gesundheitliche und pflegerische Versorgung mit ihren Beiträgen finanzieren und sie in Anspruch nehmen, werden in die Entscheidungen und die Ausgestaltung der Versorgung einbezogen. Das stärkt die Solidarität in unserer Gesellschaft. Versicherte und Arbeitgeber ermöglichen mit ihren Beiträgen eine solidarische, den Grundsätzen von Subsidiarität und Eigenverantwortung verpflichtete Gesundheitsversorgung und Pflege, in der Starke für Schwache einstehen. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zum sozialen Frieden in Deutschland. Ein hohes Gut, umso mehr in Zeiten, in denen die Demokratiefestigkeit nicht nur in Deutschland auf die Probe gestellt wird.
Selbstverwaltung lebt von echter Partizipation
Für den Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes bleibt ein zentrales Anliegen, dass die soziale und gemeinsame Selbstverwaltung wieder gestärkt werden muss und die über die Jahre erfolgten Einschränkungen wieder zurückgenommen werden müssen. Der Bundeswahlbeauftragte zur Sozialwahl 2023 betont in seinem Bericht, dass das Wissen über die soziale Selbstverwaltung und die Bedeutung von Sozialwahlen stärker vermittelt werden muss. Zudem darf die Möglichkeit der Partizipation von Betroffenen an der Gestaltung der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung nicht nur auf dem Papier stehen. Sie muss faktisch und erlebbar vorhanden sein. Anders formuliert: Wer die Entscheidungs- und Gestaltungsräume der Selbstverwaltung staatlicherseits immer weiter beschneidet, darf sich bei den Sozialwahlen nicht über geringe Wahlbeteiligung wundern.
Keine Zweckentfremdung von Beitragsgeldern
Leider setzte sich auch 2024 der Trend fort, Entscheidungsfreiräume der Selbstverwaltung der Krankenkassen durch Eingriffe des Gesetzgebers weiter einzuschränken. Darüber hinaus wird den Beitragszahlenden auferlegt, die Defizite versäumter Struktur- und Finanzreformen zu finanzieren. So sieht beispielsweise die Krankenhausreform vor, dass ab dem Jahr 2026 insgesamt 25 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds in den Krankenhaus-Transformationsfonds fließen sollen. Die Beitragszahlenden tragen damit die Hälfte der Kosten für den Auf- und Umbau von Krankenhäusern infolge der Reform. Eine funktionierende Krankenhauslandschaft ist aber Teil der Daseinsvorsorge und damit eine Kernaufgabe des Staates. Die Finanzierungsverantwortung des Bundes darf durch den Zugriff auf den Gesundheitsfonds nicht ausgehebelt werden. Das Vorgehen ist verfassungsrechtlich sehr bedenklich.
Prinzip Selbstverwaltung rechtlich absichern
Als Treuhänder der Beiträge von Versicherten und Arbeitgebern müssen die Kranken- und Pflegekassen die Möglichkeit erhalten, die Rechte ihrer Mitglieder prüfen und durchsetzen zu können. Daher bedarf es einer Klarstellung sowohl im Sozialgerichtsgesetz als auch im Bundesverfassungsgerichtsgesetz: Den Trägern von GKV und SPV muss der Rechtsweg offenstehen, insbesondere dann, wenn Beitragsgelder durch staatliche Eingriffe zweckentfremdet werden sollen oder wenn in die Kompetenzen der Selbstverwaltung eingegriffen wird. Dies dient dem dauerhaften Schutz des wichtigen Grundprinzips Selbstverwaltung und verhindert ein der Kontrolle der Gerichte entzogenes zentralistisches und dirigistisches „Durchregierens“ ohne Rücksicht auf die mit den Beitragsgeldern zu finanzierenden Aufgaben.
Für ein starkes gesellschaftliches Fundament
Die demografische Entwicklung und der damit einhergehende Druck auf GKV und SPV erfordern eine wirksame und stärker öffentlich wahrnehmbare soziale Selbstverwaltung. Sie vertritt die Interessen von Versicherten und Arbeitgebern und ist zugleich ein wichtiges Fundament für eine solidarische und demokratische Gesellschaft.